Wenn Fußballer singen

Dann macht es Bumm

von Thorsten Schmidt


Olé - olé - olé - olé: die Deutschen sind ein sangesfreudiges Völkchen. Und in Gemeinschaft singt es sich am schönsten. Besonders Fröhlichkeit und gute Laune werden gern in einfachen Weisen ausgelebt. Je besser die Stimmung und voller die Kehlen, desto simpler die Worte - und am Ende einer Party tut´s auch ein La-la-lall.

Die größten Chöre finden sich ohne Zweifel in den Fußballstadien. Allsamstaglich wird zunächst der Gegner verspottet („Zieht den Bayern die Lederhosen aus...“) und dann der Sieg gefeiert. Erfunden wurde diese Sitte im Mutterland des Fußballs. Wenn an der Liverpooler Enfield Road ein volles Stadion Gerry Marsdens „You´ll never walk alone“ zelebriert, wird auch der unmusikalischste Fußballmuffel andächtig lauschen.
Bei soviel Sangesleidenschaft ihrer Fans wollten die Fußballhelden nicht abseits stehen. In den 60er Jahren zerrte man so ziemlich jeden, der irgendwie populär schien, in die Aufnahmestudios. Mit einer ganzen Riege von Nationalspielern versuchten die Plattenfirmen, den deutschen Schlager durch ein verzweifeltes Forechecking vor dem anstürmenden Beat zu retten. So entstanden eine Reihe von Singles, nicht schön und auch nicht selten, aber ein interessantes Sammelgebiet für Freunde des deutschen Schlagers.
Den Anfang machte der jugoslawische Torhüter des TSV 1860 München, Radi Radenkovic. Seine Ausflüge bis in die gegnerische Hälfte machten ihn beim Publikum beliebt und beim Trainer gefürchtet. Der Ausflug ins Plattenstudio führte ihn mit „Bin i Radi - bin i König“ (Decca 19 666) im April 1965 bis auf Platz 5 der deutschen Hitparade. Die Nachfolgesingle „Bißchen Glück in Liebe“ (Decca 19 700) brachte es noch auf Platz 36. Doch nachdem sein Verein nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1966 bald in der Bedeutungslosigkeit versang(k), war auch Radis Sangeskarriere rasch zu Ende.
Bayern München wurde die Nummer 1 in Münchens Stadien, holte 1967 den Europapokal und schickte seine Stars ans Mikrophon. Franz Beckenbauer bemühte den Herbergerschen Mythos der „Elf Freunde müßt ihr sein“. Das kam an: Als B-Seite rutschte „Gute Freunde kann niemand trennen“ (Polydor 52 747) im Dezember 1966 bis auf Platz 31 der Hitparade.
Mittelstürmer Gerd Müller wurde zwar „Fußballer des Jahres 1967“ und Torschützenkönig der WM 1970, aber mit seinen Sangeskünsten konnte der „Bomber der Nation“ keinen Treffer landen. Doch Reime wie „Dann macht es Bumm - ja und dann krachts / und alles schreit: der Müller macht´s / Dann macht es Bumm - dann gibt´s ein Tor / und alles schreit dann: Müller vor“ gingen fürwahr in die Geschichte des deutschen Schlagers ein.
Sepp Maier wurde nachgesagt, daß er den Ball deshalb so selten aus dem Netz holen mußte, weil sich die gegnerischen Stürmer bei seinem Anblick bogen vor Lachen. Als Clown und Spaßmacher von valentinischer Güte ist er damals wie heute beliebt - seine Single „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ (Polydor 53 012) ist allerdings kein bißchen komisch. Humptata, dem Qualitätsanspruch bayrischer Bierzelte kaum gewachsen.
1974 fand zum ersten Mal die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland statt. Um dies Ereignis gebührend anzukündigen, besang die Fußball-Nationalmannschaft nicht nur zwei Singles, sondern gleich eine ganze LP mit dem Titel „Fußball ist unser Leben“. Die gleichnamige Single schaffte dank der sangeserprobten Beckenbauer, Müller und Maier im November 1973 Platz 27 der Hitparade.
Weniger große Töne spukte seinerzeit die Nationalmannschaft der DDR. Da reichte es gerade mal zu einer Single-B-Seite zusammen mit dem Schlagerstar Frank Schöbel. „Ja, der Fußball ist rund wie die Welt“ (Amiga 456 050) - das mußte nochmal gesagt werden, da sich die DDR-Bürger ja nicht selbst davon überzeugen konnten.
Die Sangeskunst auf Sparwasser gehalten, konzentrierte sich die DDR-Mannschaft lieber auf das Training, was sich im direkten Vergleich ziemlich auszahlte. Aber am Ende siegte, wie jeder weiß, die große Sanges-Klappe.
Nach dem WM-Titel wechselte die Nationalmannschaft den Gesangstrainer und die Plattenfirma. Doch erfolgreiche Konzepte lassen sich nicht beliebig wiederholen. Erst konnte das Team trotz der Einwechslung von Udo Jürgens mit Single und LP („Buenos Dias Argentina“ - Ariola 11 888) nicht in die Hitparaden einziehen und dann kam Berti Vogts zu kurz gegen Hans Krankl.
Für die nächste WM war weitere Verstärkung vonnöten: Die LP „Olé España“ wurde mit Michael Schanze, die Single „Highland oh Highland“ (Ariola 104 194) mit Lena Valaitis eingespielt. Warum für eine WM in Spanien aber ein Lied über Peru gesungen wurde, wird wohl ewig ein Geheimnis des Produzenten Ralph Siegel bleiben.
Der Hamburger SV löste Ende der 70er Jahre den Abonnements-Meister Bayern München ab, wurde dreimal Deutscher Meister und 1982 Europapokalsieger der Landesmeister. Da waren natürlich auch die Sangeskünste gefragt. Der Engländer Kevin Keegan stürmte mit „Head over heels in love“ (EMI 1C 006-45 607) im Juni 1979 auf Platz 10 der Hitparade. Die Nachfolgesingle „England“ (Ariola 101 955) erreichte immerhin noch Platz 61.
Jimmy Hartwig hingegen brachte es mit seinen Singles nur zu Kurzeinsätzen in der Hitparade, tingelte aber erfolgreich durch die norddeutschen Discotheken.
1984 übernahm Franz Beckenbauer den Taktstock der Nationalmannschaft. Da er selber immer viel Spaß beim Singen gehabt hatte, ließ er seine Spieler lauthals trällern und verordnete ein deutlich sichtbares Mitsingen der Nationalhymne. Auf das wesentliche kommt es an. Mit den Schallplatten war es allerdings zu Ende.
Und irgendwie war auch die Luft ´raus. Die Zeiten änderten sich. Anstatt selber zu singen wurden die Fußballhelden nun besungen. Jeder Meistertitel forderte seine Siegeshymen nicht nur im Stadion, sondern auch auf Single, Maxi und Picture Disc („Wer wird Deutscher Meister? Ha-ha-ha-ha-es-vau“). Und die ganz Großen bekamen ihr eigenes Lied: Wolfgang Fierek und Cleo Kretschmer bewunderten die sexy Knie von „Karl-Heinz Rummenigge“ (Intercord 110.532) und Volker Lechtenbrink sang zum Abschied „Der Paul tritt ab“ (Polydor 813 455-7). Wann gibt es mal einen ähnlichen Song über Lothar Matthäus ?


aus: Schwarze Seiten ´97 - Service für Sammler von Schallplatten und CD´s; Kultur Buch Bremen, 1997
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