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"Noch lohnt es sich für mich, dass ich
mich auf Sechstagerennen spezialisiert habe."




Leif Lampater stellte sich den Fragen von Thorsten Schmidt
exklusiv für www.sixdaysinfo.de (11.11.2009)

Frage: Zum Saisonauftakt bist beim Sechstagerennen in Amsterdam zusammen mit Danny Stam Dritter geworden. Warst Du mit Deinem Start in die Wintersaison zufrieden?

Ich war sehr zufrieden, weil der dritte Platz meinem momentanen Leistungsstand entspricht. Ich bin noch nicht ganz bei hundert Prozent. An den ersten beiden Abenden habe ich ganz schön zu kämpfen gehabt. Und ich merke auch jetzt ein paar Tage danach, dass ich ziemlich kaputt bin.
Ich muss aber auch sagen, dass Bartko und Kluge brutal stark gefahren sind. Die haben völlig verdient gewonnen.


Du bist im August bei einem Kriterium schwer gestürzt und konntest zwei Wochen nicht trainieren.
Hat das Deine Vorbereitungen stark beeinträchtigt?

Eigentlich weniger. Im August hatte ich sowieso zwei Wochen reduziertes Training geplant. Ich habe erst Ende August mit der Vorbereitung für den Winter angefangen. Aber dann habe ich im Oktober eine dicke Erkältung bekommen. Das hat Substanz gekostet und ich konnte eine Woche lang nicht trainieren. Daran knabbere ich immer noch. Deshalb war der dritte Platz in Amsterdam völlig okay.


Leif Lampater beim Sechstagerennen in Bremen 2009 (Fotos: Thorsten Schmidt)

Wie sahen Deine Vorbereitungen auf die Winterbahnsaison aus?

Das wichtigste ist für mich immer die konditionelle Grundlage. Das heißt: stumpf Kilometer fressen auf der Straße. Drei bis vier Stunden am Tag. Etwa 90 bis 150 Kilometer. Je nach Wind und Wetter.

Trainierst Du auch auf der Bahn?

Ich habe keine Bahn zur Verfügung. Und selbst wenn ich eine in der Nähe hätte, würde ich sie wohl nicht nutzen. Ich fahre so viel auf der Bahn, da muss ich mich nicht mehr extra daran gewöhnen.

Du bist ein endschneller Mann bei den Sprints. Machst Du dafür ein spezielles Sprinttraining?

Eigentlich nicht. Ich hab das mal probiert mit speziellem Intervalltraining, aber das hat mir nichts gebracht. Beim Sechstagerennen muss ich ja nicht nur einmal sprinten, sondern ständig über den ganzen Abend verteilt. Das ist eine Frage der Kondition. Deshalb trainiere ich nur auf der Straße. Und das beste Training für die Sechstagerennen sind die Sechstagerennen selbst. Die Feinheiten holt man sich nur in den Rennen.

Du gehörst zu den wenigen Radprofis, die sich ganz auf die Sechstagerennen spezialisiert haben.
Was hast Du im Sommer gemacht?

Die Saison war sehr lang. Das letzte Sechstagerennen in Tilburg war im April. Danach habe ich erst mal Urlaub gemacht und dann habe ich mich im Sommer mit Kriterien und kleinen Straßenrennen fit gehalten.

Dabei warst Du sehr erfolgreich. Immerhin kamen 11 Siege zusammen…

Ja, das lief in diesem Sommer sehr gut. Gute Ergebnisse sind immer gut für die Motivation. Aber ist erster Linie geht es im Sommer für mich darum, die Form zu halten und Spaß am Rad fahren zu haben.

Im letzten Winter bist Du zwölf Sechstagerennen gefahren und warst dabei zehn Mal auf dem Podium. Was sind Deine Ziele für den kommenden Winter?

Zwölf Rennen werden es wohl nicht werden, weil ja leider einige Rennen nicht stattfinden können. Momentan sieht es so aus, dass ich zehn Sechstagerennen fahren werde.


Leif Lampater und Erik Zabel gewannen im Januar 2009 das Sechstagerennen in Bremen

In der letzten Saison bist Du sehr erfolgreich mit Erik Zabel zusammen gefahren. Nun nach dem Karriereende von Erik stehst Du ohne festen Partner da. Du verstehst Dich ganz gut mit Franco Marvulli. Ihr wart im Frühling zusammen in Australien und in Trinidad & Tobago und habt dort Rennen bestritten. Wäre Marvulli/Lampater auch eine gute Kombination für die Sechstagerennen?

Ich versteh mich gut mit Franco, aber ob wir bei Sechstagerennen zusammen fahren, ist damit nicht gesagt. In diesem Winter fährt Franco definitiv noch mit Bruno Risi. Und weiter denkt heute noch niemand. Bei Sechstagerennen plant man höchstens zwei Monate im voraus. Man hat es ja schon so oft erlebt: Eine Krankheit oder ein Sturz beim Rennen zuvor und kurzfristig wird das halbe Fahrerfeld neu gemischt.
Für diesen Winter ist lediglich fest verabredet, dass ich die Rennen in Holland mit Danny Stam zusammen fahre. Wenn wir beide gesund bleiben.


So wie es momentan aussieht, fährt Roger Kluge nur die Rennen bis Weihnachten. In Bremen und Berlin wäre also Robert Bartko frei…

Ich bin letztes Jahr in Kopenhagen mit Robert gefahren. Abgesehen von seiner Grippe-Erkrankung hat es dort schon gut geklappt. Ich habe mich noch nie lautstark positioniert, mit wem ich gerne fahren möchte. Das entscheiden die Veranstalter und da hat jeder seine eigenen Bedürfnisse. Und auch die Wünsche der Sponsoren spielen eine Rolle. Wir Fahrer werden schon gefragt, aber am Ende entscheiden natürlich die Veranstalter.

Du sprachst schon an, dass einige Rennen abgesagt wurden. Dein Heimrennen in Stuttgart fällt schon zum zweiten Male aus und nun hat es auch das Traditionsrennen in Dortmund erwischt. In Deutschland bröckeln die Rennen und in Holland kommen neue dazu. Was machen die Holländer anders?

In Holland sind die Rennen kleiner. In Amsterdam passen gerade mal 2000 Besucher in die Halle. Die deutschen Rennen sind vielleicht für die momentane Lage zu groß geworden. Die großen Hallen in Deutschland bringen den Veranstaltern viel höhere Fixkosten. Hallenmiete, Security usw. müssen bezahlt werden, egal ob viele Leute kommen oder ob die Ränge halb leer sind. Da braucht dann nur ein Sponsor abzuspringen, wie jetzt in Dortmund, und dann rechnet sich das Ganze nicht mehr. Vielleicht muss man auch in Deutschland in kleinere Hallen gehen, um überlebensfähig zu bleiben.

Wie stark sind die Sportler durch diese Absagen verunsichert? Ist die Talsohle erreicht oder befürchtet ihr weitere Einbußen in der Zukunft?

Natürlich sprechen wir darüber und die Verunsicherung ist sehr groß. Schließlich geht jede Rennabsage an unseren Geldbeutel. Noch lohnt es sich für mich, dass ich mich auf Sechstagerennen spezialisiert habe. Aber insgesamt ist die Situation schon sehr frustrierend. Es ist wirklich schwer einzuschätzen, wie es mit den Sechstagerennen in den nächsten Jahren weitergehen wird. Die Zuschauerzahlen sind nicht unbedingt das Problem. Die Dopingdiskussion spielt sicherlich eine Rolle. Aber in erster Linie sehe ich in der Wirtschaftskrise die Ursache für den Einbruch des Sponsorings. Und wie es mit der Wirtschaft weiter gehen wird, kann keiner vorhersagen.

Wenn noch mehr Rennen wegbrechen: Lohnt es sich dann überhaupt noch, Sechstagerennen zu fahren?

Wie gesagt, momentan lohnt es sich noch für mich. Aber für die Fahrer, die nicht ums Podium fahren, wird die Lage jetzt schon kritisch. Einige deutsche Fahrer sind ja nur die deutschen Rennen gefahren, die müssen sehen, dass sie im Sommer Geld verdienen. Oder über die Nationalmannschaft bei der Bundeswehr unterkommen. Einige haben ja auch schon aufgehört. Aber den Straßenfahrern geht es ja auch nicht besser. Als Gerolsteiner ausstieg, haben nicht alle Fahrer einen neuen Rennstahl gefunden. Falls es bei Milram nach dem nächsten Sommer nicht mehr weitergeht, wird das für den deutschen Straßenradsport auch sehr schwer.

Durch die Rennabsagen gibt es nun Löcher im Terminkalender? Wie überbrückst Du die Pausen?

In den letzten Jahren lief es für mich optimal, wenn ich zwei Sechstagerennen nacheinander hatte und danach eine Woche Pause war. Wenn die Pausen jetzt länger sind, gerät man natürlich aus dem Rhythmus. Irgendwie muss sich jeder in Form halten. Für mich heißt das wieder Straßentraining. Das ist im Winter natürlich nicht so angenehm.

Nach der verpassten Olympiaqualifikation 2008 mit dem Verfolgungsvierer bist Du aus der Nationalmannschaft ausgeschieden. Jetzt bist Du vor zwei Wochen bei der Europameisterschaft im Madison gestartet. Ist die Nationalmannschaft zukünftig für Dich wieder ein Thema?

Eher nicht. Im Madison sind Bartko und Kluge fest gesetzt, da brauchen die mich nicht. Die EM bin ich mitgefahren, um mich für Amsterdam einzurollen. Stell Dir das mal vor: Anreise, Hotel, Pfleger, Mechaniker, das haben wir alles selbst bezahlen dürfen! Der BDR hat nicht mehr für uns getan, als uns anzumelden. Und einen Rennanzug haben wir bekommen, denn wir müssen bei einer EM ja im Nationaltrikot starten.
Für mich stimmt die Relation da einfach nicht. Der BDR schickt vier Fahrer und drei Betreuer für drei Wochen ins Trainingslager in die Sierra Nevada. Und für eine Europameisterschaft ist kein Geld da. Einen Tag weniger Trainingslager und es wäre genug Geld da gewesen, um das ganze Team bei der EM vernünftig zu betreuen. Diese EM wird allerdings bereits seit Jahren ohne Unterstützung durch den BDR von den Sportlern bestritten, während die anderen Verbände darauf viel Wert legen.


Klingt eher so, als wäre das Kapitel Nationalmannschaft für Dich abgeschlossen…

Grundsätzlich nicht. Aber es muss mit meinen Bedürfnissen vereinbar sein. Das ist vielleicht auch eine Typfrage. Wenn ich höre, dass die Verfolger für drei Wochen Höhentraining mitten in der Wüste kaserniert werden und dafür die Sechstagerennen sausen lassen müssen, dann ist so etwas mit mir nicht zu machen. Von den Sechstagerennen lebe ich, die haben für mich Priorität. Und ich will nicht ständig in Trainingslagern unterwegs sein. Ich bin jemand, der seine gewohnte Umgebung braucht. Ich bin gern zu Hause und will Zeit mit meiner Freundin verbringen. Nur dann habe ich den Kopf frei, um optimale Leistungen abzuliefern. Höhentraining bringt sicherlich etwas. Aber ich würde da einen Lagerkoller kriegen. Das ist nichts für mich.

Dann brauchst Du dich über die geplanten Änderungen der Bahnwettbewerbe bei Olympia auch nicht aufzuregen…

Doch! Tu ich aber. Wir sind alle darüber sehr verärgert. Wer als Ausdauerfahrer nicht im Bahnvierer fährt, wird doch praktisch von Olympia ausgeschlossen. Wenn ein guter Sprinter sich auf den Omnium-Wettbewerb vorbereitet, dann hat er immer die besseren Karten als ein Verfolger. Was mich ärgert ist die Begründung. Da braucht man sich doch nur einmal die Weltcups anzuschauen. Die sind froh, wenn sie überhaupt vier Frauen-Teams für die Mannschaftsverfolgung zusammenbekommen. Und dann liegen die Zeiten über zehn Sekunden auseinander. Es gibt momentan einfach noch kein Leistungsniveau, das olympiawürdig ist. Da macht man Team-Sprint zu zweit, weil man keine drei Frauen zusammenbekommt. Diese Reform ist eine Gleichmacherei vom Schreibtisch, die an der Realität völlig vorbeigeht. Und das geht zu Lasten der Ausdauerfahrer.

Musst Du auch ohne Zugehörigkeit zur Nationalmannschaft ständig für Dopingkontrollen zur Verfügung stehen?

Na klar. Ich habe da auch kein Problem mit. Aber ich hatte in diesem Jahr erst eine Trainingskontrolle. Die interessieren sich für mich offenbar weniger als für die Kaderfahrer. Aber bei den Sechstagerennen wird natürlich regelmäßig kontrolliert.

Wie sieht das in Deinem Alltag ganz konkret aus?

Jeweils zum Quartalsbeginn muss man für die nächsten drei Monate angeben, wo man sich aufhalten wird: Zuhause, Wettkämpfe, Trainingslager, Urlaub. Jeweils mit der genauen Adresse. Und ich muss für jeden Tag eine Stunde angeben, in der ich dann dort auch für eine eventuelle Kontrolle tatsächlich erreichbar bin.

Und wenn wir uns spontan verabreden wollen, dass Du morgen nach Bremen kommst, dann ginge das nicht?

Doch, das geht schon. Wir sind gehalten, spätestens 24 Stunden vorher zu melden, wenn wir wo anders sein werden als ursprünglich geplant. Praktisch heißt das einfach nur, wir sollen vorher Bescheid sagen. Nachträglich wäre blöd.
Wie gesagt, ich habe da kein Problem mit. Mich ärgert nur, dass das ganze Verfahren sehr umständlich und aufwändig ist. Die Meldung geht nur über das Internet, aber nicht übers Handy. In Deutschland geht das wohl, aber im Ausland gibt es nicht in jedem Hotel einen Internetanschluss. Dann wird das richtig stressig. Oder ein anderes Beispiel: Ich muss sämtliche Adressen, an denen ich mich regelmäßig aufhalte, jedes Mal wieder neu eingeben. Das wäre nicht nötig. Da wird so viel Geld für die modernsten Untersuchungs- methoden ausgegeben, aber das Meldesystem ist aus der Steinzeit.


Abschließende Frage: Wir haben jetzt viel über Aktuelles gesprochen. Wie sehen Deine Zukunftspläne aus? Welche beruflichen Ziele hast Du für die Zeit nach der aktiven Karriere?

Im Moment ist Radsport mein Leben. Ich habe in den letzten Jahren ganz gut verdient. Wenn ich gesund bleibe und dieses Leistungsniveau halten kann, dann möchte ich das gerne noch ein paar Jahre machen. Auch wenn es momentan vielleicht nicht so gut steht um die Sechstagerennen, sind meine Perspektiven immer noch angenehmer, als wenn ich jetzt bei Karstadt oder Quelle arbeiten würde. Mir ist meine Unabhängigkeit und Eigenständigkeit als Radprofi ganz recht. Wenn man ein bisschen flexibel und kreativ ist, dann geht es immer irgendwie weiter. Ich mache mir da keinen großen Kopf. Darüber hinaus gilt mein Interesse der IT-Branche. Ich kann ganz gut mit Computern umgehen und kann mir gut vorstellen, nach meiner aktiven Zeit in diesem Bereich zu arbeiten. Vielleicht sogar ein Studium… Momentan geht das nicht. BWL oder so was kann man als Fernstudium nebenher machen, jedenfalls versuchen das einige Kollegen. Aber ein Ingenieurs-Studium oder so etwas Ähnliches erfordert viele Praktika und dafür müsste ich den Sport stark einschränken und das möchte ich nicht. Aber wenn es so weit ist, wird sich das Richtige finden. Ich fühle mich da nicht unter Druck und sehe das ganz gelassen.

Leif, ich danke Dir für das Gespräch.

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